Sonntagslächeln am 1. Advent
… und liebe Grüße vom Ulmer Weihnachtsmarkt zu Füßen des höchsten Kirchturms der Welt!
Schönen 1. Advent! 🎄🎶👼🏼
… und liebe Grüße vom Ulmer Weihnachtsmarkt zu Füßen des höchsten Kirchturms der Welt!
Schönen 1. Advent! 🎄🎶👼🏼
Wir steigen noch höher und befinden uns über dem Kirchenraum. Nichts mehr von Fresken und Skulpturen und Mosaiken. Hier ist’s dennoch wirklich spannend. Wir laufen über Holzböden, vorbei an einem Nachbau der Bauhütte, einer kleinen Werkstätte aus Münsterbauzeiten und finden sogar die mannshohen Tombolatrommeln für die Ulmer-Münster-Lotterie.
Das Münster wurde aus Mitteln der Bürger und nicht des Landes oder der Kirche gebaut. Immer wieder fanden Lotterien statt, bei denen viel Geld zum Münsterbau eingenommen und ein bisschen davon wieder verlost wurde.
Wie schon letzte Woche berichtet habe ich an einer Führung „In die geheimen Kammern“ des Ulmer Münster teilgenommen. Wir stiegen viele Treppen aufs südliche Dach, noch weiter hinauf und in einige kleine versteckte Räume, die voll von Geschichte sind. Die Musterkammer ist bis unter die Decke voller Plastiken, Pfeilerstücken und anderen Mustern von Skulpturen.
Dort waren auch zwei Wasserspeier-Skulpturen von einem Mann und einer Frau gelagert und unser Führer erzählte uns die dazu gehörende Geschichte:
Der Gugele, ein sehr zuverlässiger Tagelöhner, der sein ganzes Arbeitsleben lang am Bau des Ulmer Münsters mitgearbeitet hat, war immer fleißig und fehlte keinen Tag. Eines Tages kam seine Frau auf die Baustelle und sagte, dass es ihr Leid täte, ihr Mann heute aber nicht zur Arbeit kommen könne. Gefragt nach dem Warum antwortete sie, dass er in der Nacht gestorben sei. Und weil der Gugele immer zuverlässig und fleißig war, wurden er und seine Frau jeweils Zierwasserspeier-Figuren an der Nordseite des Ulmer Münsters.
Letzte Woche habe ich an einer Führung „In die geheimen Kammern des Ulmer Münsters“ teilgenommen. Im Münster waren wir ja schon oft, einige Beiträge hier im link.
Es ging erstmal an die südliche Seite. Wir blicken hinauf und unser „Guide“ erklärte uns, dass wir nachher oben auf dem Dach über den Wasserspeiern herumlaufen werden 😱, dann ging es hinein, kurz in den Chorraum und dann hinauf in verschiedenen Kammern, es gab tolle Einblicke in den Kirchenraum aus 24 m Höhe und dann gings tatsächlich hinauf aufs südliche Dach, denn von dort aus gelangt man auf den südlichen Chorturm, dann noch eine Wendeltreppe hinauf und man ist auf 42 m Höhe und hat diesen Wahnsinns-Ausblick zurück übers Dach Richtung Münsterplatz. Bei dem tollen Wetter ein Traum und meine Höhenangst hab ich fast vergessen. 😉
Im Chorraum des Ulmer Münsters steht der Hutz-Altar, geschaffen von Martin Schaffner und 1512 gestiftet von Laux Hutz, Mitglied einer der reichsten Ulmer Kaufmannsfamilien dieser Zeit.
Im Schrein sind die Mitglieder der Heiligen Familie zu sehen: Maria mit dem Jesuskind und ihr gegenüber ihre Mutter Anna. An den Fingerspitzen berühren sich die Generationen, ein Symbol für den Alten und den Neuen Bund Gottes. Aber wer sind die Herren im Hintergrund?
Hinter Maria mit dem Kind schützend ihr Vater Joachim; daneben, mit betenden Händen ihr Mann Joseph und wer sind die anderen beiden, die da geschäftig diskutieren? Das sind Annas geschiedene Ehemänner. Nicht schlecht, dieses Familienporträt, oder?!
Noch etwas geschichtliches zum Bildersturm:
An der Stelle des heutigen Hutz-Altars stand früher ein von Jörg Syrlin geschaffener und vollkommen zum Chorgstühl passender Altar, welcher im Bildersturm zerstört wurde. Auch der Hutz-Altar fiel dem Bildersturm fast zum Opfer, wurde nur gerettet, weil er von seinem Stifter aus der Kirche geholt und zu Hause verwahrt wurde. Wie kam es dazu?
Der Bau des Ulmer Münsters dauerte länger als 500 Jahre. Bis heute hat es nicht nur den höchsten Kirchturm der Welt, sondern ist auch eine der größten evangelischen Kirchen Deutschlands. Im Jahr der Erbauung kannte noch niemand Martin Luther oder hatte von Reformation gehört. In deren Zusammenhang kam es 1531 zum sog. Ulmer Bildersturm, dem 60 Altäre und viele bedeutende Kunstwerke im Münster zum Opfer fielen. Zuvor hatte der Rat der Stadt den Besitzern der Altäre und Kunstgegenstände seine Absicht mitgeteilt, sodass diese teilweise ihren Besitz in Sicherheit bringen konnten. Übrige Altäre lagerte die Stadt in ihr Magazin ein; einige sind heute in Dorfkirchen der Umgebung aufgestellt, z.B. in Scharenstetten.
Am 16. Juli 1531 wurde das Ulmer Münster evangelisch und damit wurde dort zum ersten Mal auf Deutsch gepredigt.
Im Dunkeln mit dieser Beleuchtung wirkt der Taufstein sehr viel filigraner als bei Tag, kleinste Arbeiten erscheinen viel deutlicher. Große Kunst, was da geschaffen wurde!
Wie ein kleines Haus wirkt der Taufstein aus dem Jahr 1474 unter dem mächtigen Baldachin, der über ihn gebaut wurde und der auf drei Säulen steht. Diese drei Säulen stehen für die Dreieinigkeit: dem Vater im Himmel, seinem Sohn und dem Heiligen Geist, im Namen derer bis heute jeder Täufling getauft wird. Darüber ragt ein – leider unvollendeter – Turm ins Gewölbe hinein.
Im Hellen sieht das achteckige Taufbecken so aus. Sechs Propheten, zwei Könige, Wappen der sieben Kurfürsten und des Reiches am Sockel finden hier Platz.
Jörg Syrlin schuf 1469 bis 74 aus dunklem Eichenholz das 89 Sitzplätze große Chorgestühl des Ulmer Münsters. Eine Frauen- und eine Männerseite sind einander gleichberechtigt gegenübergestellt. Lebensgroße Büsten, geschaffen vom Schnitzer Michel Erhart stellen auf der Frauenseite Sibyllen, also Seherinnen dar, auf der Männerseite Dichter, Forscher und Philosophen.
Eine kleine Anekdote erzählte uns unser Führer bei der nächtlichen Führung durchs Münster:
Die erste Büste beim Betreten des Chorraums auf der Männerseite stellte den Dichter Vergil dar. Ihm gleichberechtigt erste auf der Frauenseite ist seine Ehegattin, deren Haube und die Hand in der aufgeschlagenen Bibel die reife Frau darstellt, die ihren Weg zu Gott gefunden hat.
Aber wen schaut Vergil an? Nicht sein etwas verhärmtes Weib! die ein wenig mürrisch dreinschaut. Nein! Sein Blick geht hinüber etwa in die Mitte der Bankreihe zu einem jungen pausbäckigen unverheirateten Mädchen, zu erkennen an geflochtenem Haar und Hut statt Haube.
Ein Schelm, wer Böses denkt! 😉
Ja! Im Münster gibt es ein Wildschwein und sogar noch zwei Spießgesellen, die es einfangen und aufspießen wollen:
An den Pfeilern, die Mittelschiff und Seitenschiffe trennen, stehen überlebensgroße Steinfiguren auf reich verzierten Konsolen. Die Skulpturen entstanden erst im 19. Jahrhundert, die verzierten Konsolen stammen zum großen Teil noch aus der Bauzeit des Münsters.
Ohne die nächstliche Führung durchs Ulmer Münster hätte ich weder Schwein noch die beiden Spießgesellen gefunden.